Dietrich Mahlow über Katja

"Katja ist Weberin; sie wirkt am Teppich der Zeit, in der Bewegung von Kette und Schuss, in einer Zeit, deren Uhren anders gehen.
Ohne den Mond gäbe es keine Zeiteinteilung. Was für eine Zeit haben wir?

  12 Stunden mal 2 ist der Tag, und niemand kann ihn dezimieren. Niemand wird es gelingen, die Zeit in Ordnung, in Reih und Glied zu bringen: nicht den Tag, nicht die Nacht, nicht die Woche mit ihren 7 Tagen und nicht das Jahr: des Mondes Schuld? Mond du bist die konkrete Abwehr jeder Reglementierung: die Zeit machst du, und nicht wir, wir leben nach deinem Rhytmus. Der irdischen Zeit Grund ist der Rhytmus des Kosmos und nicht der Takt der Berechnung.

  Der Webstuhl arbeitet anders als die Maschine. Mond, ach lass mich auf deinen Staub, deine Steine meinen Fuss nie setzen, nur meinen Schmerz. nur Aug und Fantasie.

Immer wieder ist Katja seit 30 Jahren die Madonna mit den singenden Engeln von Boticelli erschienen. Seit 2 Jahren versucht sie, sich von diesem Bild zu befreien.
Sie setzt die Madonna mit dem leidenden Blick - einem Blick, der ihr nicht nach innen gekehrt erscheint, wie auf anderen Boticelli-Bildern, sondern auf die Welt gerichtet ist in Trauer und Melancholie - Sie versetzt diese Madonna in Ihre, d.h. in unsere Zeit. Sie sagt: mit einem Male glaubt sie, das Bild zu verstehen."

Dietrich Mahlow, Kunstwissenschaftler, 1982